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27.11.2019

„Gladiatoren“ der Fußballszene: der SC United Weinheim

Gemeinsam auf und neben dem Platz

(jb). Das Wappen des SC United Weinheim bildet einen Gladiator ab, der Siegeswille durch und durch symbolisiert. Bei genauerem Hinsehen offenbart sich jedoch die menschliche Symbolik, unter dem das Vereinscredo festgehalten wird. Woher kommt dieser junge aufstrebende Verein in der Weinheimer Sportlandschaft, der 15 Nationalitäten in sich vereint und so ganz nebenbei die so wichtige Integrationsarbeit für die Gesellschaft leistet? Ein Trainingsbesuch.

Für manche ist der Sportplatz Rippenweier ein idyllischer Flecken Sportstätte, für andere ein Platz in der Pampa. Wie man es auch bewertet, diese mit Kunstrasen ausstaffierte Sportanlage teilt sich der ansässige SV Rippenweier seit 2018 mit dem SC United Weinheim, einem jungen, dynamischen und vor allem interkulturellen Sportverein. Ein Verein, der durch seine Namensgebung explizit Grenzen auflösen will und einen verbindenden Charakter ganz Weinheims ausstrahlt. Seit seiner Gründung 2017 deklariert er mit „Familie, Zusammenhalt und Loyalität“ drei kulturunabhängige und prägnante Schlagworte seiner Vereinsphilosophie.

„Wie in einer Familie“

Es ist Freitagabend, für die Jungs des SCs Trainingszeit. Schon auf dem Parkplatz des Sportplatzes ist die Motivation spürbar. Vier junge Männer steigen aus einem Auto, begrüßen den fremden Reporter interessiert mit Handschlag, preschen dann aber schnell in die Umkleide. Vor der wartet bereits gut gelaunt Mustafa Nacakgedigi, erster Vorsitzender und selbst Spieler der „United“. Neben ihm stehen Tobias Scheuermann, Yusuf Kali und Waleed Khan. Zusammen erklären sie, was den Verein für sie so besonders macht. „Wir wollen, dass sich unsere Spieler wohlfühlen. Bei allen sportlichen Ambitionen soll doch der Mensch im Vordergrund stehen“, eröffnet Mustafa. Diese Grundprämisse lieferte die Idee einer Neugründung. Regelmäßige Bolzplatztreffen und Soccerhallen-Matches lassen neun Spieler die Idee in die Tat umsetzen, darunter Mustafa, Tobias und der als „Teammanager“ agierende Sükrü Cansiz. „Wir wollten weg vom sturen Leistungsprinzip“, ergänzt Tobias. Und es funktioniert, bestätigt Yusuf: „Ich habe mich in keinem Verein so gefühlt wie hier. Es ist wirklich wie in einer Familie.“ Eine Familie, in der für keinen der Spieler der 15 Nationalitäten zählt, aus welchem Land man kommt, wie gut man die Sprache spricht, oder welcher Religion man angehört. Hier vereint man sich im Gemeinsamen statt sich in Unterschieden zu dividieren.

Kameradschaftliches Miteinander

Gibt es aber nicht auch Neid und Zwistigkeit in den sogenannten besten Familien? Vor allem, da der Kader auf elf Mann begrenzt ist? „Natürlich herrscht Konkurrenz um die begehrte Spielzeit. Aber kein Platz ist definitiv gesetzt, dafür sorgt Tarik“, erklärt Mustafa. Er meint Tarik Arici, den verantwortlichen Trainer. Es hinge an mehreren Faktoren wie beispielsweise Trainingsbesuche, wer eingesetzt wird. Disziplin gehöre für den SC und im Sport eben dazu. Anders das Verhalten untereinander, das auch an diesem Abend kameradschaftlich wirkt. Sie pushen sich gegenseitig für ihren Verein, dem gemeinsamen Sieg entgegen. Voraussetzung scheint die Identifikation zu sein. Bei kleineren Reiberein gibt es dennoch Prävention: „Wir haben einen Spielerwart, eine erste Anlaufstation bei Problemen untereinander oder mit der Vereinsführung“, so Mustafa. Zurzeit übernimmt Yusuf den Posten. „Als Schlichter bin ich erste Anlaufstation, es achten aber alle darauf. Wenn jemand öfter nicht ins Training kommt, wird nachgefragt. Gibt es Probleme oder an was liegt es?“ Das schließe alle Spieler und Funktionäre ein.

Erfolg auch abseits des Platzes

Noch lässt der strukturelle Aufbau Mediatoren weitgehend überflüssig erscheinen. Mustafa ist nicht nur erster Vorsitzender, sondern selbst auch Spieler und damit nah dran an den Befindlichkeiten des Teams. Doch bereits jetzt plant der SC für ein langfristiges Bestehen. „Wir wollen unsere Vereinswerte leben und vor allem vorleben. Und damit junge Spieler motivieren, selbst Verantwortung zu übernehmen“, erklärt er. Den Team-Zusammenhalt neben der sportlichen Zielsetzung stärkt die United mit gemeinsamen Aktionen, beispielsweise dem „Interkulturellen Kochen.“ „Da kommt schön was auf den Tisch, bei 15 vertretenen Nationen“, grinst Mustafa. Es sind Feinheiten manchmal ähnlicher Gerichte aus türkischer, arabischer oder serbischer Küche, Nuancen, die trotz offenkundiger Ähnlichkeit ihren eigenen Charakter prägen und ihre eigene Würze hinzufügen. Individuell, aber keinesfalls fremd. Ein Bild, das auch auf die Mitglieder selbst zutrifft. Doch nicht nur das. Die eigens gesetzte Prämisse des Vereins, Erfolg auch außerhalb des Platzes zu haben, spiegelt sich im Beispiel von Waleed wider. Waleed kam 2017 aus Afghanistan nach Deutschland. Die Liebe zum Fußball und eine zufällige Begegnung mit den Gründern auf dem Bolzplatz führte ihn zum SC, wo er mit seinen 18 Jahren nun die erste Saison bei den Aktiven spielt. „Durch den Sport habe ich viel Deutsch gelernt. Und vor allem bekam ich mit, was in der Stadt geht.“ Zurzeit macht er eine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker in Weinheim. Vermittelt wurde ihm die Stelle durch den SC, der auch Kooperationen mit städtischen Ämtern anstrebt und in den Workshops um das städtische Integrationskonzept mitwirkte.

Gegen Ausgrenzung, für Soziales

„Synergien erzeugen und Einzelnetzwerke auflösen“, wie Tobias abstrahiert, sei ein weiteres Ziel. Damit verbunden ist die Frage, was Gesellschaft für einen Sportverein tun kann – und wie der Sportverein einen Teil zurückgibt. Die Antwort der United besteht in „Winwin-Situationen“. Sie suchen den Dialog mit der Stadt wie beispielsweise bei der Mitwirkung

am Integrationskonzept, aber auch mit anderen Vereinen. So beteiligt sie sich an der Initiative „Kein Platz für Rassismus und Gewalt“, bei dem sie mit Gastmannschaften ein Foto schießen und damit ein Zeichen gegen Rassismus im Sport setzen. Oder aber beim Derby gegen den SV Rippenweier, dass die Vereine mit einer öffentlichen Typisierungsaktion der DKMS verbanden.

Offenheit als Vereinsprägung

Zeit, um auszuruhen, nehmen sich die Spieler um den SC jedoch nicht. Allzeit suchen sie nach Verbesserungen im Sinne eines „Zusammenwachsens und zusammen zu wachsen“, erklärt Tobias. Ideen dazu sind reichlich vorhanden, insbesondere auch Perspektiven, die den Sport der Zukunft beeinflussen könnten. Das Stichwort Digitalisierung stellt auch die Sportvereine vor eine neue Herausforderung. Digitale Spielerpässe sind schon auf dem Vormarsch, Livestreams der Spiele könnten neue Zuschauerzahlen erreichen. „Wir fühlen uns hier oben auf dem Sportplatz wohl, wurden auch vom SV herzlich aufgenommen.“ Das Problem der fehlenden Infrastruktur teilen SV und SC. Busse fahren kaum zu den Trainingszeiten, innerhalb der United bilden die Spieler Fahrgemeinschaften. Es stärkt den Zusammenhalt, schont das Klima – und dennoch stört es sie. Von einer Platznutzung in der Kernstadt versprechen sie sich bessere Perspektiven. Bewusst wählte die United das Kürzel SC, statt FC – Sport allgemein, nicht auf Fußball beschränkt. „Wir wollen offen für Neues bleiben, um mit der Zeit gehen zu können.

Zusammen statt allein

Die Zeit vergeht schnell an diesem Abend. Konzentriert trainieren die Spieler Spielzüge, Übungen fürs Ballgefühl und geben schließlich vollen Einsatz im Trainingsspiel. Selbst neben der Seitenlinie ist der Respekt untereinander und der Wille zur sportlichen Disziplin greifbar. Wenn eine eindeutige Torchance versemmelt wird, weiß der Schütze sofort Bescheid - und macht Liegestütze. „Das hält fit“, grinst Mustafa. Trainer Tarik Arici hat seine Jungs gut im Griff, „manchmal mehr, manchmal weniger“, wie er selbst schmunzelnd bemerkt. Seit dieser Saison ist er Coach der United. „Tarik teilt unsere Philosophie. Es hat einfach von Anfang an gepasst“, beschreibt Mustafa die Trainersituation. Er konnte bereits das ein oder andere Spielervertrauen in seinen vorherigen Stationen gewinnen und führt dies nun beim SC weiter. Im Anschluss an das Training wird diesmal zusammen gegrillt. Die Konzentration weicht einer lockeren Stimmung, die sich rasant ausbreitet. Sofort sind Boxen aufgestellt und deutscher Hip-Hop mischt sich unter das Stimmengewirr. Nur vereinzelt hört man Gesprächsfetzen in fremder Sprache. In der Gruppe und auf dem Platz sprechen alle deutsch miteinander. Die Spieler verteilen sich, jeder scherzt mit jedem oder lässt das Training Revue passieren. Nimmt man Gladiatoren als Einzelkämpfer, so symbolisiert es keineswegs den gewonnenen Eindruck. Vielmehr erinnert der SC United Weinheim an Musketiere: „Alle für einen, und einer für alle.“

 

Erschienen in der Weinheimer Woche am 20.11.2019.

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